Johann Sebastian Bach – Die Kunst der Fuge BWV 1080
DIE KUNST DER FUGE D-MOLL
Von Johann Sebastian Bach in drei Teilen
Wie nähert man sich diesem Werk unerreichbarer Kompliziertheit, dem Unspielbaren, der „Augenmusik“ (A. Schweitzer), in Partitur geschrieben, keinem Instrumente zuzuweisen, eher eine Wissenschaft?
Es begann mit dem zufälligen Besitze eines Percussionsharmoniums und dem Datum des 150. Geburtstages dieses merkwürdigen Tasteninstrumentes, das, durch Klavierhämmer ergänzt, zu präziser Tonqualität fähig ist. So wurde im Jahr 1992 die „K d F“ in Seifersdorf bei Dresden in der Harmoniumfassung (welt-) erstaufgeführt, mit aller Naivität das Werk den gedruckten Ausgaben entnehmend. Mittlerweile stellte sich sehr wohl heraus, dass das Ganze für einen Tastenspieler gedacht sei, auch dass die sog. Quadrupelfuge natürlich vollendet ward – nur die letzte Druckseite verloren gegangen sei und J.S. Bach in mehreren Etappen das Werk konzipiert hatte. Die Fassungen differieren bei manchen Akzidentien (Vorzeichen), den Taktarten und – besonders – mit dem Dominantschluss in No. 3. Auch ist die Stellung der Canons im Stück nicht vorgegeben.
Nun muss das Material ja zunächst untersucht werden. Das Thema besteht aus drei Bausteinen: einem Dreiklang, in welchem zunächst die Quinte erklingt und die Mollterz sich dareinschließt, dann aus drei Tönen wie ein Mordent in Augmentation – Hauptnote, unterer Wechselton, Hauptnote –und schließlich wieder drei Tönen im Auf- und Abwärtsgang. Also sind es neun Töne als Themengrund. Man kann freilich auch anderes darin sehen, beispielsweise, dass die Tonnamen des Anfangs: D A F D mit einem „i“ ergänzt den Namen David ergäben – Bach habe sich als musikalischer Nachfahre des Königs gesehen… Oder das Thema in Dur würde den Choralanfang ergeben „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Faktum ist, dass das Thema nach wohl allen Regeln der Veränderungskunst durchleuchtet wird: Umkehrungen, Krebs, Vergrößerung, Verkleinerung, Spiegelung – im Oktav-, Dezimen- oder Duodezimenabstand, Augmentation und „in motu contrario“ (Gegenbewegung) und dazu noch die musikalisierte Fassung des Komponistennamens (b-a-c-h).
Was er nicht unternahm: Eine generelle „Spiegelung um den Grundton d“ 1:1. Diese erklang am 21.7.2005 in Trier. (Als Anhang ist hier die No 1 gespiegelt zu hören.) Das gesamte Werk gewissermaßen „richtig“ und „unter Wasser“ gespielt auf einem Flügel, welterstmalig. Da die Kunst der Fuge einen ja nicht loslässt und es mit Händen und Füßen zu greifen ist, dass die Einrichtung dieses „Opus ultimum“ der Bachschen Musikgeschichte mit Füßen und Händen gespielt werden muss, wurde wiederum eine Neuzusammenstellung fällig und die Premiere meiner Orgelfassung fand anno 2013 in Ahlbeck statt. Getreu dem Prinzip „Symmetrie ist die Ordnung der Dummen“ (J. Cocteau) setzte ich die Canons symmetrisch: in den Teilen I und III jeweils in die Mitte, im Teil II an Anfang und Schluss. Symmetrie ist ja wohl das barocke Prinzip schlecht- bzw. guthin… Die Vollendung der Schlussfuge erklingt nach Davitt Moroney. Die ursprünglich „Contrapuncti“ benannten Fugen sind einzeln nummeriert und mit den Canons und den Spiegelfugen (hier „Sarabande“ und „Pastorale“) plus der Quadrupelfuge ergibt sich die Zahl 21. Die Aufführungsdaten der drei benannten Fassungen umspannen 21 Jahre. Alles zusammengerechnet – 12.12.1992 plus 21.7.2005 plus 2.9.2013 – ergibt das 77, Quersumme 14. Bachs vier Buchstaben ergeben – nach ihrer Stellung im Alphabet – ebenfalls eine 14. Sein Schaffen gipfelte ja in der Aufnahme in die „Societät der musikalischen Wissenschaften“ – wen wundert ́s, dass er da just das 14. Mitglied ward… Und eine „musikalische“ Wissenschaft bleibt die Kunst der Fuge allemal. q.e.d.
Übrigens nimmt die Verwendung des Gräfenrodaer Registers „Glockenspiel“ Bezug auf Bachs Organistenanstellung zu Arnstadt und Mühlhausen – dort hatte er selbiges als Neuheit in die Dispositionen der beiden Orgeln eingebracht. In Arnstadt entstand auch Bachs erste Komposition: eine Fuge. So schließt sich der Kreis.
Die Weißeorgel zu Gräfenroda mit der Disposition Johann Peter Kellners ist ein authentisches Instrument aus der Zeit Johann Sebastian Bachs – erbaut 1736. Johann Peter Kellner ist bekannt als Verehrer und wahrscheinlich auch Schüler des Director musices zu Leipzig. Gräfenroda scheint sogar ein Bach-Zentrum gewesen zu sein, eine Art Kader- schmiede für „anfahende“ Organisten, wie Bach in seinem Orgelbüchlein die das Orgelspiel erlernenden Eleven tituliert, und Kellner hat etliche, später bedeutende, Organisten ausgebildet. Dass er das bekannteste Orgelwerk Bachs eigentlich geschrieben habe – die sog. d-moll Toccata – sei hier nur am Rande erwähnt!
Es gibt leider keine Belege für eine Anwesenheit Bachs an der Weißeorgel, jedoch Belege für zahlreiche Aufenthalte Kellners in Leipzig. So könnte denn vermutet werden, dass Kellner die von ihm erstellte Disposition des Instrumentes Bach zur möglichen Begutachtung vorlegte. Da diese Orgel schon als vorzüglich strukturiertes Instrument für die klangliche Umsetzung der Goldberg-Variationen diente, lag es nahe, auch Die Kunst der Fuge an gleicher Stelle – im quasi Originalklang Bachs – einzufangen.
Franns-Wilfrid von Promnitz
Die Aufnahmen zu dieser CD erfolgten im September 2014 an der Bach-Orgel in St. Laurentius zu Gräfenroda/Thüringen.
Franns-Wilfrid von Promnitz
Schon der Dreijährige begeisterte sich für ein Instrument: die Wasserorgel im Hamburger Park Planten un Blomen. 13jährig sang er im Dresdner Kreuzchor und mit 23 Jahren dirigierte er erstmalig an der Sächsischen Staatsoper. Gleichzeitig erweckte er die Arrangements der Comedian Harmonists mit den Dresdner Vocalisten zu neuem Leben. Lehr- und Wanderjahre führten ihn nach Holland an die ältesten europäischen Orgeln. Studiert hatte er Dirigieren, Klavier, Komposition, Orgel, Gesang und Violoncello. Er gastierte in Paris, Brüssel, Amsterdam, Budapest, Rom und London. Als Schlossorganist kam er in die Bachstadt Leipzig, spielte als Welteinmaligkeit die „Kunst der Fuge“ um den Grundton „D“ gespiegelt (Trier 2005) und richtete Bachsche Claviergroßwerke für die Orgel ein.
In Dresden grub er den Hofcapellmeister Joh. Amadeus Naumann musikalisch wieder aus, gründete die Konzertreihe Laufen & Lauschen im Seifersdorfer Thal und führte alljährlich zu den dortigen Opernfestspielen eine Naumannoper auf. Zum Schutz des Seifersdorfer empfindsamen Landschaftsparkes kam es zur Gründung des Thalvereins und später zur Errichtung der Johann-Gottlieb- Naumann-Gesellschaft e. V. (1991). Zur Erhaltung der bedeutsamen Anlage des Gebietes um das Fasanenschlösschen bei Moritzburg initiierte er den Verein Muse im Fasanengarten (2001). Da das Stammschloss der Promnitzfamilie dringender Erneuerungen bedarf (Ersterw. 1185) wurde der Kultur- und Schlossverein Promnitz a. d. Elbe e.V.2014 gegründet.
Das kleinste Bachfest der Welt veranstaltet er auf der Insel Hiddensee: Ein Instrument – ein Spieler. An der Musik- und Theaterhochschule in Rostock lehrt er. Ensembletätigkeit übt er bei TreCantus, der Gruppe Amfiparnaso und Chorus Angelicus aus. Anderthalb Dutzend CDs dokumentieren seine vielfältige Musikausübung und in über 6000 Konzerten war er bisher live zu erleben.
as-o 5074 -2000 auris organum
EAN 42600777107745
© 2015 auris subtilis
www.auris-subtilis.de
Die Aufnahmen zu dieser CD erfolgten im September 2014.
Franns-Wilfrid von Promnitz
Aufnahme und Mastering: Hartmut Lissner
Übersetzung englisch: Thomas Mc Coll und Heather O‘Donnell
Übersetzung polnisch: Jerzy Bielerzewski
Fotos: Frithjof Grassmann, Ania Wagner Seite 9, 11 und 12
Produzent: Franz Streuber
Design und Produktion: www.auris-subtilis.de